Das Leben des Heiligen Martin
Im nordfranzösischen Amiens war der junge Martin als Soldat stationiert. Eines Tages, mitten im Winter des Jahres 333, begegnete er am Stadttor einem unbekleideten Bettler. Er sieht den Armen, hört seinen Ruf um Erbarmen und handelt. Da gibt es kein langes Überlegen, kein Abschätzen des Risikos, kein Ruf nach helfenden Institutionen. Martin teilt seinen Soldatenmantel mit dem Bettler.
Es scheint, dass die Menschen bis heute instinktiv spüren, dass genau dies immer noch vorbildlich ist: Menschen, die die Not sehen und selbst lindern. Ein Beispiel, das nicht nur Kinder fasziniert, sondern auch Erwachsene.
In der Nacht darauf erschien Martin im Traum Jesus Christus, bekleidet mit Martins halbem Militärmantel. Martin erkennt, wem er in der Gestalt des Bettlers begegnet ist.
Nach diesem Erlebnis lässt der Taufschüler sich taufen und strebt die Entlassung aus dem Militärdienst an. In Worms gibt es die Gelegenheit, als der Kaiser seinen Soldaten vor dem Kampf eine Prämie auszahlen lässt. „Bis heute habe ich dir als Soldat gedient; erlaube, dass ich in Zukunft für Gott streite. Deine Prämie möge annehmen, wer kämpfen will. Ich bin ein Soldat Christi. Mir ist es nicht erlaubt, mit der Waffe zu kämpfen", zieht Martin den Schlussstrich.
Auf Umwegen wird er Mönch. In der Nähe der Stadt Poitiers im heutigen Frankreich gründet er mit einigen Gleichgesinnten ein Kloster. Hier begegnet uns ein anderer Martin als in Amiens. Er ist nicht mehr der Mann der Tat, sondern mehr der Besinnung und des Gebets.
Er wollte das Heil der eigenen Seele suchen, ganz auf Gott und sich bezogen leben. Für die Menschen, die ihn erlebten, gewiss ein tugendhaftes Leben, aber es scheint, dass Gott damit nicht zufrieden ist. Es folgt die zweite Berufung zum Bischof von Tours.
Die einen erzählen jetzt die Geschichte von den Gänsen, die Martin verraten haben, als ihn die Menschen zum Bischof machen wollten und er sich versteckte, die anderen wissen von einem vorgetäuschten Krankenbesuch zu berichten, mit dem man Martin in die Stadt Tours gelockt haben will.
Das Ergebnis ist gleich: Martin wird Bischof von Tours und bleibt dennoch Mönch, zieht nicht in das bischöfliche Haus von Tours, sondern lebt vor der Stadt in einer Klosterzelle.
Am 8. November 397 starb Martin im Alter von 81 Jahren. Sein Fest wird am 11. November gefeiert.
Kaum ein anderer Heiliger wird wie der Heilige Martin überall in Europa verehrt. Sein Lebensbeispiel überzeugte die Menschen in einer Zeit, die geprägt war von großen Umbrüchen: das römische Reich mit seinem Rechts- und Moralsystem neigte sich dem Ende zu, die Kirche musste erst noch zu einer Form finden, immer wieder erschütterten Irrlehren die Gemeinschaft.
Da wird Martin zu einem Heiligen, an dem man sich ausrichten kann.